Jahreskonferenz 2011 Pädagogisches Handeln

 
Klischeehaft ginge es so: «In der Kirche, wo alle lieb und nett sind, ist es für Buben besonders reizvoll, Störfaktor zu spielen.» Diesem allzu einfachen Denkansatz widersprach Christoph Walser an der Jahreskonferenz 2011 Pädagogisches Handeln (PH). Vielmehr versuchte der Theologe und Erwachsenenbilder aus Zürich Verständnis zu wecken: «Die Sehnsucht der Buben nach einem männlichem Gegenüber ist gross. Darin liegt das Potential, das es zu entwickeln gibt.» Eine klar formulierte Einladung an die rund 38 Konferenzteilnehmenden aus 24 Aargauer Kirchgemeinden.

Buben im Blick
«Religion – ein Mädchenfach?» stand als Titel auf der Einladung zur Jahreskonferenz. Sie wurde erstmals im neuen Domizil der Reformierten Landeskirche Aargau am Stritengässli in Aarau durchgeführt. «Buben im Blick» war der Leitsatz des Gastreferates, was sich schliesslich als roter Faden durchs Programm zog. Dies aber erst, nachdem korrekt geschlechterbalanciert – wie es die Verantwortlichen des Pädagogischen Handelns künftig wünschen – begrüsst worden war. Jutta Bossard (PH 1, KiK) hiess die weiblichen Anwesenden willkommen, Beat Urech (Bereichsleiter Pädagogik und Animation) widmete sich der aus Kirchensicht vermeintlichen «specie rara» Mann. Wenig später dazu Christoph Walser: «Unsere Kirche ist eine nach wie vor hauptsächlich von Männern geleitete Frauengemeinde.» Zwar wachse der Frauenanteil in den Gemeindepfarrämtern langsam, aber nicht im Vergleich mit der Zunahme studierter Theologinnen. Auf die Frage, woher der Eindruck der feminisierten Kirche kommt, lieferte der Referent verschiedene Erklärungsansätze. Er beginnt bei Jesus, «der gerne als weiblicher Mann wahrgenommen wird» und darum immer wieder Auseinandersetzungen rundum männliche Spiritualität auslöst. Im Gegensatz zum Judentum oder Islam, wo die Männerlinie eine wichtige Rolle spielt, ist die Vermittlung von Religion in unserer Kultur von Frauen geprägt; Katecheten sind selten – auch innerfamiliär ist religiöse Erziehung meistens Frauensache. «Als Pfarrer erlebte ich Männer, die nur sehr ungern vom Fussballmatch am Fernsehen zum Taufgespräch am Familientisch wechselten.» Nicht nur von Christoph Walser, sondern auch von den Anwesenden war zudem hörbar: «Ein in der Kirche engagierter Mann hat ein Imageproblem gegenüber der Männerwelt.»

Stein des Anstosses
«Was denkt der Kirchenrat zu tun, damit die einseitig weiblich geprägte Vermittlung des Glaubens in unserer Landeskirche durch eine gerechtere Verteilung auf Männer und Frauen abgelöst wird?» Dies postulierte 2009 Jürg Hochuli im Kirchenparlament. Er war damals Synodaler, heute arbeitet er als Bereichleiter Bildung und Gesellschaft für die Landeskirche.

Zu- und Widerspruch
Im Schulwesen, insbesondere auf der Unterstufe, läuft die Buben-Debatte auf Hochtouren. Kirchenintern ist das Pädagogische Handeln gefordert. Christoph Walser stellte sechs «Herausforderungen für die Zukunft» zur Diskussion. «Die mangelnde Wahrnehmung von Buben hat ihre Wurzeln in einer langen Vernachlässigung der Männer- und Väterfrage in den Kirchen», so der Fachmann für Männerarbeit. Er rät, die Bedürfnisse und Beiträge von Männern, Vätern und Buben als Querschnittthema in allen Bereichen kirchlichen Handelns zu berücksichtigen. Dann brauchen Buben für ihre Entwicklung Männer, die ihnen emotional berührbare Gegenüber und Vorbilder sind. «Es gilt, den Mann als Mann zu erleben», wie es in der Gruppenarbeit ein Katechet formulierte. Da sich bei Lebensübergängen oft Sinnfragen stellen, bieten sie besondere Anknüpfungspunkte für die Kirche. «Mentoren sind gefragt, die Anteil nehmen und in alten sowie neuen Ritualen präsent sind.» Auf viel Bestätigung stiess die Ermahnung von Christoph Walser: «Habt ein besonderes Augenmerk auf die Grossväter.»

Mutig einmischen
So wie es in den Schulen bereits Genderarbeit gibt, empfiehlt es sich auch für den kirchlichen Unterricht, künftig mehr mädchen- wie bubenspezifische Methoden anzuwenden. «Buben schweigen gerne und überlassen das Feld den Mädchen. Darum ist geschlechtergetrennter Unterricht je nach Thema nicht nur sinnvoll, sondern äusserst hilfreich. Buben können so ihr Potential besser einbringen.

Carmen Frei

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